Ich habe heute das erste Mal in meinem Leben Allerheiligen wirklich begangen, nicht nur den zusätzlichen Feiertag einfach genossen.
Von diesem Erlebnis möchte ich erzählen.
Mit Nicole zusammen am Tisch haben wir, abwechselnd, jede für ihre Ahnen, Kerzen angezündet und sie mit einer kleinen verbal ausgesprochenen Einladung - die wichtigsten Ahnen ganz direkt - in unserer Runde willkommen geheißen.
Am Ende hat jeder für sich an seine Ahnenrunde sein Anliegen ausgesprochen. Ich habe ihnen gedankt für das, was sie zu meinem Ich beigetragen haben, und mir gewünscht, dass sie mir mittels ihrer Weisheit und Kraft helfen, den für mich richtigen Weg in dieser kruden Zeit zu finden.
Anschließend haben wir nach unserem normalen Sonntäglichen Ritual Mantren aufgelegt, und jede hat für sich diese Ahnen-Zeremonie ausklingen lassen.
Hierbei ist für mich etwas Besonderes geschehen. Ich habe, sinnlich in mich eingekehrt, auf der Couch gesessen, und habe die Gedanken fließen lassen. Es hatte sich nach der Zeremonie schon ein besonderes Gefühl eingestellt. Ein Gefühl von Friedlichkeit, Wärme, Wohlsein. Jetzt versank ich scheinbar in eine Umgebung, ähnlich einem Colosseum, nur viel kleiner. Ich saß mittendrin, und abwechselnd schaute einer meiner Ahnen hervor, wie aus einer Loge heraus, wortlos, nur den Blick auf mich gerichtet. Ich habe die Aufmerksamkeit angenommen, und bin in eine Art inneren Dialog gegangen, ebenfalls wortlos. Alle Unterschiede, die in ihrer Zeit als Lebende zu mir bestanden, waren nicht existent, sie waren alle gleich, einfach dazugehörend und integriert.
Aus dieser Umgebung bin ich im Folgenden langsam herausgeglitten und immer tiefer in mich gesunken, Gedanken und aktive Bilder waren nicht mehr vorhanden.
Das Abknicken meines Kopfes, also der anstehende Übergang in die Schlafphase beendete diesen Zustand – ich hatte meine erste Meditation durchgeführt. Völlig ohne Anleitung, ohne Intention, einfach im Ergebnis des völligen Fallenlassens in die, durch die Ahnen-Sitzung ausgelöste Stimmung.
Ich kam zurück, völlig überströmt von Gefühlen, einer wohligen Durchströmung meines Körpers, Klarheit und Fitness. Von Nicole dazu aufgefordert, zeigte der Blick in den Spiegel ein rosiges, gut durchblutetes und entspanntes Gesicht. Ich war etwas sprachlos – positiv sprachlos.
Ich ließ es eine Weile nachwirken, und spürte, dass der heutige Sonntag anders verlaufen würde, als geplant. Wir wollten am Nachmittag zur Demo, dem Querdenken-Trauerzug in München. Ich fühlte, dass dies heute nicht passen konnte, obwohl ich mich so gut und fit fühlte. Doch ich hatte das Gefühl, ich würde heute meinen geschützten heiligen Raum verlassen, in dem ich mich gerade befand, würde da draußen diese tollen Gefühle verlieren, die ich gerade genoss, und so noch nie gespürt hatte.
Ich weiß, Jeder zählt zur Zeit da draußen, um den Regierenden zu zeigen, was wir von ihrem politischen Amoklauf, von ihrer Willkür, mit der sie unsere Grundrechte und unser Leben beschneiden, die Gesellschaft zerstören, halten, doch es ging heute nicht. In Gedanken bin ich dabei, und trage mit meiner Energie für eine friedliche, auch andächtige, aber dennoch mächtige Kundgebung bei.
Ich zünde deshalb heute auch eine Kerze für die verblichenen Väter und Mütter unseres Grundgesetzes an - sie würden wohl im Grab rotieren!
Wir haben dafür beschlossen, kommende Woche in Leipzig dabei zu sein – wo ein Teil meiner Ahnen seine Wurzeln hat.
Ich habe also heute eine Möglichkeit verpasst, meinen Protest zum Ausdruck zu bringen, aber wohl eine Kraft gefunden, die mich besser durch diese schwere Zeit bringen kann, die es mir ermöglicht, mein Gleichgewicht noch besser zu halten.
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