Von der Raupe zum Schmetterling
Mrz 22 - Ukraine

Ukraine im Blickpunkt

Ukraine-Krieg - Ursachen, Hintergründe und Grautöne

Ein Blick in 200 J. Geschichte

 

Dass ich über den ausgebrochenen Ukraine-Krieg fassungslos bin, wenn auch nicht ganz unerwartet, teile ich wohl mit vielen Menschen, wenn auch teilweise in unterschiedlicher Sichtweise.

Doch viel fassungsloser bin ich über viele Sichtweisen und fest gefügte Vorurteile beim Blick auf Ursachen und Hintergründe.

Offenbar haben die letzten 2 Jahre bei vielen Menschen zwar die Erkenntnis reifen lassen, dass Vieles nicht so ist, wie es oft scheint, dass es Zufälle in der Welt der Politik eher wenige gibt, und das Politik insgesamt eher ein schmutziges Geschäft ist, doch werden dennoch oder gerade deshalb diese Erkenntnisse auch nur in Schablonen verpackt, die nun für alles Politische auf dieser Welt universell gelten sollen.

Das dürfte jedoch nicht ausreichen und eher zu schmal gegriffen sein.

Die Welt der internationalen Einfluss-Politik ist komplex, tief verwurzelt in alten geschichtlichen Ereignissen und Abläufen der letzten 100 Jahre, oft sogar noch viel länger zurück.

Somit können die schmal aufgestellten Betrachtungen, die man zur Zeit so lesen und hören kann, nicht wirklich zielführend sein, egal, ob pro/contra Putin oder pro/contra NATO/EU.

Für Viele scheint sonnenklar, die NATO wäre der eigentliche Kriegstreiber, Putin wird dabei fast ein Opfer, und die Ukraine ist nur ein Spielball der NATO.

Das erschreckende für mich ist, dass diese Sichtweisen ganz besonders von den vermeintlich „aufgewachten“ im Kontext Corona-Plandemie kommen, während der Mainstream und viele „Durchschnittsbürger“ eher dazu neigen, Putin wiederum recht einseitig als perfiden Aggressor zu betrachten, die Ukraine ausschließlich als Opfer.

Ist es tatsächlich so simpel?

Ich bin im Osten aufgewachsen, hatte naturgemäß mehr Bezug zur Sowjetunion (Russland), als die Mehrheit der Menschen im Westen, hatte auch persönlich-berufliche Kontakte nach Weißrussland und in die Ukraine. Seit meiner Jugend beschäftige ich mich zudem intensiv mit Politik, bin also nicht nur Situations- oder Eventbasiert an Politik interessiert.

Meine Sicht ist daher wohl eine Andere. Es ist bei solchen Konflikten immer hilfreich, einen Blick in die Geschichte zu werfen, und das nicht in die Jüngste, sondern weiter zurück. In diesem Fall sollten es 100 J. sein, bis zur Gründung der Sowjetunion (in der Folge kürze ich mit SU ab). Schaut man genauer hin, wäre ein Blick bis ins 19. Jhdt. nötig. Die SU war ein Vielvölkerstaat, ähnlich dem ehemaligen Jugoslawien. Verbindend auch, dass in beiden Fällen die Völker nicht freiwillig zusammenfanden. Die SU wurde mit eiserner Hand der Rotgardisten unter Lenin geschmiedet, und die Ukraine von der Roten Armee gewaltsam einverleibt. Das betraf allerdings nur die östliche Ukraine, die westliche war weitgehend unter polnischer Herrschaft. Lenin war es auch, dem kein Vielvölkerstaat mit vereinten Republiken vorschwebte, sondern ein Zentralstaat, wo Autonomie- und Unabhängigkeitsgedanken keinen Platz mehr hätten. Doch dazu kam es nicht. Sein Nachfolger Stalin hatte ähnliche Ambitionen, doch auch er setzte es nicht um, weil wohl auch seine georgischen Wurzeln damit kollidierten.

Doch bereits im 19. Jhdt. war die Ukraine zerrissen und teils zerrieben zwischen Russland und Polen, die lange Zeit Gebiete der heutigen Westukraine einverleibt hatten. Aus dieser Zeit stammt auch eine starke nationalistische Bewegung, die sowohl gegen Polen, als auch gegen Russland kämpfte. Was man heute oft sehr vereinfacht und daher falsch als ukrainische „Faschisten“ bezeichnet, dürfte aus diesen nationalistischen Bewegungen hervorgegangen sein, die für eine unabhängige und vereinte Ukraine kämpften. Framing ist hier leider ebenso verbreitet, wie bei uns in Sachen Rechtsextrem. Erstaunlich, wie viele derer, die hierzulande mit dem Todschlagargument "rechtsextrem" behaftet werden, das andererseits in gleicher Art auf die Ukraine anweden.

Diese Nationalisten kämpften daher auch im 2. WK auf deutscher Seite, so wie auch Teile der Bevölkerung der West-Ukraine pro-deutsch eingestellt waren. Mit dieser geschichtlichen Last wurde die neue Ukrainische Sowjetrepublik Teil der SU, zu der nun durch die Westverschiebung Polens auch die Westukraine gehörte. Stalins Hungermord an den Ukrainern kommt erschwerend hinzu. Doch selbst diese „neue“ Ukrainische Sowjetrepublik war als autonome Republik bis zum Ende der SU eigenständiges Gründungs-Mitglied der UNO!

Dieser kurze Abriss zeigt bereits, dass die Geschichte der Ukraine höchst zerrissen war, von der SU in 2 Akten 1919 und 1945 gewaltsam einverleibt wurde, selbst danach aber eine autonome Republik bis zum Ende der SU war.

Der Austritt aus der SU 1991 erfolgte mit fast 80%iger Zustimmung!


Doch hier kommen wir zum für mich spannenden Punkt. Der Zerfall der SU war für viele Politiker, Militärs und Menschen der SU ein Schock, ein Trauma, das bis heute wirkt.

Damit bin ich auch schon bei Putin, in seiner Welt und Realität. Er ist als ehemaliger KGB-Offizier einer der Betroffenen, wie er vielfach selbst geäußert hat. Er belässt es aber nicht bei Betroffenheit, er hat in den letzten Wochen in seinen Reden explizit auf diese geschichtlichen Aspekte hingewiesen. Er betrachtet die Ukraine trotz der geschilderten zerrissenen Geschichte als ur-russisches Gebiet, Kiew sieht er als "Heilige Mutter" Russlands. Er bezeichnete es explizit als Fehler, dass weder Lenin noch Stalin ihre Ziele der Abschaffung der Autonomie der Sowjetrepubliken, gar ihre vollständige Zerschlagung als Republiken umgesetzt hatten.

Was ist also Putins offenkundiger Antrieb? Er möchte diese „Fehler“ korrigieren, er möchte 100 J. Geschichte umschreiben, er möchte scheinbar die Wiederherstellung eines Großrussischen Reiches als sein Lebenswerk umsetzen. Die Krim war der Anfang, der Testballon für den Westen, auch wenn hier noch die Sützpunktfrage der Schwarzmeerflotte die Priorität war, obwohl die seitens der Ukraine nicht in Frage gestellt war. Nach 1945 wurde übrigens nicht nur die Krim einvernehmlich in die Ukraine einverleibt, auch Teile Rumäniens und der Slowakei wurden an die Ukraine abgegeben. Hat jemals Jemand gehört, dass diese Länder derartige Ansprüche stellten? Der Donbass als wirtschaftliches Herz der Ostukraine mit mehrheitlich russischer Bevölkerung war nach den Ereignissen von 2014/15 mit der orangenen Revolution und dem Majdan-Desaster eine logische Folge, und wurde zur offenen Wunde in einer Ukraine, deren westliche Teile sich naturgemäß dem Westen zuwenden wollten, und deren östliche Teile sich Russland zugehörig fühlten. Der westlich orientierte Teil war dabei eindeutig die Mehrheit.

Dass hier ganz sicher die Regierung der Ukraine im Donbass Fehler gemacht hat, eventuell auch militärisch, und damit menschlich fragwürdige Dinge geschahen, ist alles vorstellbar und möglich - vieles wissen wir nur zu ungenau. Doch genau deshalb sollten wir mit schnellen Verurteilungen vorsichtig sein.


Nun erst kommt für mich der Westen ins Spiel. Bis hierher war es eine alte russisch-ukrainisch-polnische Geschichte.

Wie bereits beim Jugoslawien-Thema (vorschnelle Anerkennung von Kroatien und Slowenien) konnten es einige westl. Politiker nicht lassen, ihre Wahnidee der immer größer werden EU auch in die Ukraine zu tragen. Selbst Gedanken an eine Bindung NATO-Ukraine schlossen einige nicht aus. Dass wiederum war für Putin Anlass diese „Begierden“ als Provokation des Westens zu betrachten. Noch 2004 hatte er selbst die NATO-Osterweiterung um das Baltikum, Polen u.a. nicht als Bedrohung für die SU bezeichnet. Doch mit der Ukraine wurde die NATO plötzlich zum Thema. Ja, daran hatte der Westen Mitschuld, aber eine Bedrohung war und ist die heutige NATO für Russland in keinem Fall. Angesichts der Zahlen der Streitkräfte, der Raketen- und Panzerbewaffnung, sowie der Luftstreitkräfte ist diese Behauptung bei gleichzeitiger Betrachtung des Zustandes der NATO und des Westens fast lächerlich. Nicht nur die Bundeswehr ist zum Trachtenverein verkommen…

Kann es also ernsthaft ein Interesse der NATO an einem Konflikt in der Ukraine geben? Ist es irgendwie glaubhaft, dass dort Irgendwer der Annahme sein könnte, eine Auseinandersetzung mit Russland könne irgendwie zu gewinnen sein?

Glaubt irgendwer, dass die Aussicht auf ein paar Tonnen – mehr ist es letztlich nicht – Waffenexporte in die Ukraine wäre Geschäft genug, um ein solches Risiko einzugehen?

Auch auf der Energieseite, einem gigantischen Faktor, wäre der Nutzen für die USA nicht das Risiko eines Nuklearkrieges wert, und die EU kann nur verlieren. Leider reicht diese Betrachtungsweise nicht dazu aus, einige deutsche und EU-Politiker von absurden Reden und Handlungen abzuhalten, für die nur noch Fremdschämen angesagt ist. Gerade DE macht sich zum Gespött der Welt.

Nein, für mich ist dieser Themenkomplex eine verwirrende Begleitmusik, und dieses Mal nicht vom Westen angezettelt, sondern von Putin. Alle Aspekte sprechen eindeutig dafür. Der Westen besticht nur durch unvorstellbaren Dilettantismus. Seine Sanktionen beinhalten sogar die Gefahr einer weiteren Vertiefung der russisch-chinesischen Beziehungen, die bis zu einem neuen Währungsverbund reichen könnten in Folge der Swift-Sanktionen, der einige markante Länder folgen dürften. Am Ende gäbe es einen großen Verlierer – Europa!

Der gravierendste Fehler des Westens war es ganz sicher, das man nach Ende des Kalten Krieges teilweise völlig respektlos mit Russland und später Putin umgegangen ist, wie es der deutsche Marine-General kürzlich treffend feststellte, der dafür auch sofort "gegangen" wurde. Nein, ich bin kein Putin-Hasser-Versteher, kein Russland-hasser, und Putin ist uns Deutschen eher zugetan, liebt die deutsche Kultur.

Doch die deutsche Politik hat ihn respektlos behandelt, und erntet jetzt auch, was sie sähte.

Und Teile der Deutschen zeigen wieder einmal ihre hässliche Fratze, die sie unter der Tarnkappe "Solidarität" verstecken. Kein Zutritt für Russen, keine russischen Produkte, Entlassung russischer Künstler, weil sie sich nicht instrumentalisieren lassen. Ernsthaft - nach Juden, Ungeimpften nun Russen? Wie tief steckt das Totalitarismus-Gen in vielen Deutschen, die sich dabei noch moralisch auf der guten Seite wähnen - das macht mich beinah fassungsloser als dieser Krieg.


In diesem Kontext erscheint die ab und an geäußerte These, dass dieser Krieg politisch recht passend kommt, weil das Corona-Narrativ faktisch zerfällt, nicht so abwegig. Von der Idee eines Planes für diesen Krieg seitens des Westens halte ich nichts, wie ich hier geschildert habe, aber nicht ganz so abwegig erscheint mittlerweile der Gedanke eines Zusammenhangs zwischen dem Zeitpunkt des Kriegsausbruch und dem Zusammenbruch des Corona-Narratives, wenn man den Stil der Medien und das politische Anstacheln zu gesellschaftlicher Ausgrenzung betrachtet - wie oben geschidert.

Ist ein neues gesellschaftliches Feindbild, eine neue Story für den Totalitarismus nötig? 


Viele Menschen haben in der Corona-Zeit begriffen, dass Medien massiv lügen, Politiker lügen, Konzerne die Politik und Medien gekauft haben, dass einige superreiche Clans, Konzerne, Trusts und Foundations die Strippen in der Politik ziehen. Sie haben erkannt, dass derartige Pandemien und Finanz-Crashs die Ersatzkriege unserer Zeit sind, weil große Kriege keinen Sinn mehr ergeben, denn die Protagonisten würden sich selbst mit auslöschen. Logischerweise scheint das bei der Ukraine auch so sein zu müssen.

Doch es gibt keine Einheits-Schablone, die man nun über alle Weltprobleme legen kann, und damit begründen und beschreiben könnte. Gerade solche imperialen geschichtlichen Themen, dazu seit 100 J. weitgehend vom Westen losgelöst, eignen sich dazu offensichtlich nicht. Auch wenn die Mainstream-Medien weltweit bei Corona gezielt versagt haben, folgt daraus nicht automatisch, dass sie dies bei der Ukraine in einer global völlig anderen Situation auch tun. Dass mit Bildern und Berichten betrogen, manipuliert und journalistisch fahrlässig umgegangen wird, steht hingegen außer Frage –  auf beiden Seiten.

Jedoch zeigt sich für mich hier erneut eine gewisse Kenntnislücke und ein tw. absurd-blindes Vertrauen in Russland/Putin.

Ich kann mich noch gut an die Zeiten der Friedensbewegung im Kontext des NATO-Doppelbeschlusses erinnern. Wir waren im Osten mehrheitlich fassungslos ob dieser Blindheit gegenüber der SU. Wie konnte man im Westen nicht sehen, dass der Westen dabei war, sich erpressbar zu machen, die massive Überlegenheit der SU ignoriert wurde, die eine klare Angriffsstrategie hatte. Gewisse Parallelen kann ich da heute erkennen, womit ich keinesfalls Putin Angriffsgelüste unterstelle!


Ich denke, die kleine Reise in die Geschichte hat gezeigt, dass dies bei der Ukraine keinen Sinn ergibt. Auf der Seite des Westens/NATO/EU wäre der Nutzen zudem gering, die atomare Vernichtungsgefahr aber gigantisch, wenn etwas überreizt würde.

Wir sind in meiner Sichtweise leider Zuschauer einer uns Deutschen bestens bekannten Aktion „Heim ins Reich“, und es ist keineswegs sicher, dass dies der letzte Akt in Russland sein wird.

Im Kontext der russisch-chinesischen Annährung wäre für mich gar vorstellbar, dass wir in Kürze eine ähnliche Aktion Chinas sehen könnten – Taiwan „Heim ins Reich“. Dann würde es wirklich brenzlig werden…

Hoffen wir, dass sich China nicht dadurch ermuntert fühlt.


Wie geht es weiter in der Ukraine? Schwierig...

Putin macht schon jetzt, nur 5 Tage nach dem Einmarsch, scheinheilige Friedensangebote, die kein Land der Welt in der Situation annehmen würde.

Die "Werbungen" des ukrainichen Botschafters in DE für Waffenlieferungen sind verständlich, aber auch nicht förderlich, wir sollten ihnen wiederstehen. Manche Wünsche und Forderungen des Präsidenten der Ukraine, wie Flugverbotszonen, sind aus seiner Sicht in dieser Lage auch verständlich, doch könnten sie direkt zum Krieg zwischen den USA und Russland führen.

Ein Waffenstillstand förderndes Gleichgewicht können wir nicht schaffen, nur das Leid verlängern. Also gilt militärisch - völlig raushalten!

Putin hat sich offenbar verkalkuliert im Widerstand der Ukrainer, auch der neuen "Geschlossenheit" der EU. Es wird daher wohl noch etwas heftiger werden, die Ukrainer werden weiter kämpfen, Kapitulation vor der erdrückenden Übermacht scheint trotz vieler Opfer und dem Leid keine Option zu sein - Respekt!

Putin hat sich in meiner Sicht verrannt, es hat für ihn auch eine innenpolitische Komponente, auch dort scheint das Entsetzen zum Teil größer, als vermutet.

Steigt die Opferzahl, wird es also teuer für die Russen, könnte es eng für ihn werden. Auch das Verhalten "seiner" Oligarchen könnte spannend werden, wenn sie ihre Privilegien in Europa verlieren.

Die große Frage ist daher - wie kommt er aus dieser Nummer ohne totalen Gesichtsverlust wieder raus? Steht er mit dem Rücken total an der Wand, könnte es gefährlich für die Welt werden. Eine Antwort habe ich leider nicht...